Der Nebel hat sich gegen Mittag aufgelöst. Jennifer schaut ihrer treuen Colliehündin nach, die einen verschneiten Hügel hinaufläuft und plötzlich aus ihrem Blickfeld verschwindet. Es ist ein herrlicher Tag. Die Sonne lugt unter den schneegefüllten Wolken hervor und das Gras unter ihren derben Schuhen knirscht und bricht unter dem Frost, der schon wochenlang anhält.
Die Luft im Tal ist frisch und klar. Jenni pfeift nach ihrem zotteligen Collie der wieder einmal auf Kaninchenjagd ist. Doch die Tiere sind so flink und noch ehe die Hündin Witterung aufnehmen kann, in ihrem dunklen, sicheren Bau verschwunden.
Morgen ist Heilig Abend. In Gedanken ist Jennifer bei ihren Eltern im Allgäu. In ihrem Elternhaus trifft sich alljährlich die Familie und sie ist schon gespannt darauf wie das Weihnachtsfest in diesem Jahr abläuft.
Die große Bauernstube ist sicher wieder weihnachtlich hergerichtet und alle sitzen wie üblich an dem alten Eichentisch, der an den Feiertagen mit Großmutters selbst gestickter Weihnachtsdecke im Kerzenlicht erstrahlt und erzählen Geschichten Die dicken, dreiarmigen Kerzenleuchter sind in jedem Jahr mit weißen Kerzen bestückt. Passend zur Tischdecke. Darunter liegen meistens grüne Zweige, die für den natürlichen Weihnachtsduft sorgen. Mutter arrangiert im ganzen Haus wunderschöne Weihnachtssträuße mit Kiefernzweigen.
Was wird es wohl morgen zu essen geben? Von traditionellen Weihnachtsessen hält Mutter nicht viel. Im vergangenen Jahr gab es ein Fischgericht mit Ingwer, Tomaten und Frühlingszwiebeln - dazu Naturreis mit Speck, Zwiebel und Petersilie. Sehr lecker, aber eine Weihnachtsgans mit Rotkohl und Klößen ziehe ich einem Fischgericht vor.
In Gedanken geht Jennifer ihre Geschenkeliste durch. Hat sie auch niemanden vergessen? Im letzten Jahr begann sie den Weihnachtseinkauf so früh, dass sie zum Schluss nicht mehr wusste für wen sie ein Geschenk besorgt hat. So hat sie einiges doppelt eingekauft und der jüngste Bruder war hellauf begeistert, dass er gleich zwei Geschenke von ihr bekommen hat. Als sie an seinen überraschten Gesichtsausdruck denkt, muss sie ein wenig schmunzeln. Diesmal hat sie es geschickter angestellt. In der Küche hängt seid Wochen ein Zettel an der Pinwand, auf dem jeder Einkauf gewissenhaft abgehakt wurde.
Auf der weißen, sanften Anhöhe sieht Jenni ihre Hündin Bella und pfeift noch einmal kräftig auf zwei Fingern in ihre Richtung. Als sie heran trollt, tätschelt sie ihr liebevoll den Hals und streicht ihr mit den Handschuhen die kleinen Eiskristalle von der langen, spitzen Schnauze. Sicher hat die neugierige Colliehündin wieder einmal in einen Kaninchenbau hineingeschnüffelt. Sie nimmt ihren temperamentvollen Vierbeiner an die Leine und geht in den Ort zurück. Als sie am Dorfladen vorbeikommt, fällt ihr ein, dass sie noch kein Geschenk für ihre Hündin Bella hat. Jenni geht hinein und besorgt noch schnell eine Packung Hundecracker.
Fröhlich läuft sie auf ihre verspielte Gefährtin zu, um die Leine von dem schmiedeeisernen Geländer abzuknoten. Bella springt an ihr hoch und reißt ihr das Paket mit den Pfoten aus der Hand. Ehe Jennifer reagieren kann, zerpflückt die schlaue Hündin den Karton mit den Zähnen und macht sich über den leckeren Inhalt her.
Eine schöne Bescherung! Der gefrorene Boden ist übersät mit Stücken von Hundekuchen und lockt nach kurzer Zeit einige Vierbeiner aus der Umgebung an. Jenni tritt zur Seite und amüsiert sich darüber, wie gierig die Tiere an der Packung zerren.
Das ist wirklich mal eine originelle Bescherung für die Vierbeiner. Außer dem zerfledderten Karton bleibt nichts mehr übrig. Die fremden Hunde schlecken sich genüsslich die Schnauze und laufen davon. Auch Bella scheint zufrieden und lässt sich von ihrer Herrin durch den verschneiten Park nach hause führen. Morgen gibt es eine nette Geschichte zu erzählen, denkt Jennifer, diesmal eine kleine Episode aus meinem Leben.