Meine Maltasche ist gepackt, - nur die Keksdose fehlt noch. Mit zwei Taschen am Lenkrad schwinge ich mich aufs Rad, denn zwei Straßen weiter warten Louis und Lennox auf mich. Sie leben bei ihren Großeltern. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Lennox kennt mich vom Sehen, aber wir hatten bisher kaum Kontakt. Die mit uns befreundeten Großeltern haben beide Enkelkinder zu sich genommen, damit sie in geordneten Verhältnissen aufwachsen und sich normal entwickeln. Die Mutter der Kinder ist nicht gesund und der Vater rauschgiftsüchtig.
Oma Gabi öffnet mir die Tür und hinter ihr strahlt mich Lennox an. Er reicht mir die Hand und fragt: „Darf ich Gudrun zu dir sagen?“ Im Wohnzimmer begrüßen mich Alina und Louis. Die Mama der Zwei möchte heute auch mit malen. Der vierjährige Bruder sitzt schon am Tisch und ich reiche ihm meine Keksdose. Eigentlich wollte ich gleich mit dem Malen loslegen, aber Gabi hat den Kaffeetisch so liebevoll gedeckt und der Apfelkuchen riecht verlockend. Ich beobachte die Kinder und werde von Lennox gefragt, was wir denn heute machen. Ich erkläre dem Jungen, dass ich Zauberstifte dabeihabe und wir damit arbeiten werden.
Inzwischen sind wir uns schon etwas vertraut, wir räumen den Kaffeetisch ab und ich breite meine Malsachen aus. Die Geschwister bekommen ein Blatt mit ihrem Namen, die Buchstaben sollen sie nach Lust und Laune gestalten. Ich male ein paar Striche mit den Zauberstiften auf ein Papier und zeigen den Kindern was passiert, wenn man mit einem neutralen weißen Stift die Farben durchkreuzt. Plötzlich erscheinen in dem blauen Buchstaben grüne Striche. „Wie geht das denn?“, will Lennox wissen. Auch Louis rückt näher heran. „Schaut, das sind magische Stifte. Wie das funktioniert, weiß ich auch nicht. Fangt einfach mal an. Wer sein Bild fertig hat, bekommt eine Belohnung.“ Ich male einige Muster, die als Beispiel gelten sollen. Louis braucht die Hilfe seiner Mutter, er hat noch nicht so viel Ausdauer, wie sein älterer Bruder. Er hüpft um mich herum und fragt, ob er die Überraschung schon jetzt haben kann. Lennox arbeitet sehr diszipliniert und freut sich über das Ergebnis.
Zum Schluss merke ich doch, dass die Konzentration nachlässt. Ich male das X zu Ende aus und verpasse dem kleinen Kunstwerk einen würdigen Hintergrund. „Kannst du dieses Kuscheltier für Louis abmalen“, fragt mich Mama Alina. Mit ein paar Strichen skizziere ich den Dalmatiner und überreiche ihr die Zeichnung.
"Wenn du ihn anmalst, sieht er bestimmt ganz lustig aus." „Malen macht richtig Spaß“, höre ich von der jungen Frau, die ich schon seit ihrer Kindheit kenne. Neben mir pinselt Gabi Gräser in verschiedenen Brauntönen auf ein Blatt Papier. „Wann kriegen wir denn die Überraschung?“, fragt mich Lennox. Ich hole für die beiden Jungen ein kleines Päckchen aus der Tasche und schon sind sie dabei, es auszupacken. Lennox fragt mich noch, ob ich an Halloween zu Hause bin und ob ich mal wieder zum Malen vorbei komme.
Ich packe zusammen und gehe zufrieden nach Hause. Was für nette Kinder und liebevolle Großeltern, da fährt man doch gern wieder einmal hin.