Kurzgeschichten



Missverständnis

Wie der Zufall es manchmal will, treffen sich zwei Freunde, die sich schon fast fünf Jahre aus den Augen verloren hatten, mitten in der Stadt wieder.
Es werden Erinnerungen ausgetauscht. Es wird über Reisen, Beruf, Politik, über Gott und die Welt gesprochen. Natürlich auch über Sport und andere Aktivitäten.
Mit etwas gesenktem Kopf, schon fast ein wenig verlegen, meint der eine: "Körperlich bin ich manchmal total ausgelaucht, ich glaube, ich werde alt; die Erste schaffe ich noch sehr gut, aber schon nach der Zweiten bin ich völlig ausser Atem, bei der Dritten lasse ich es dann ganz, ganz langsam angehen." "Ach du meine Güte," unterbricht ihn entsetzt der andere, "Du müsstest doch allmählich vernünftig werden. Du hast die fünfzig überschritten, da sollte man schon nach der Ersten Schluss machen!"
Verwundert blickt der bis dahin aufmerksame Gegenüber auf, schiebt mit der einen Hand seinen Hut in den Nacken und zeigt mit der anderen auf ein gegenüber liegendes vierstöckiges Haus. Dann meint er sehr bestimmend und leicht höhnisch: "Du hast gut Reden, mein Freund, da drüben wohne ich, was soll ich denn machen, - es gibt keinen Fahrstuhl und ich wohne im vierten Stock!"

© Horst Rehmann

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