Lothar sieht klar
Auf dem Jahrmarkt steht ein Zelt
inmitten all der Menschenmassen.
Da wird ihm wahrgesagt für Geld.
Wer will, der kann es ja auch lassen.
Lothar will...Also: da rein...
Er prüft, was in den Taschen steckt.
Zehn Euro Kleingeld - noch ein Schein.
Macht: dreißig. Reicht vollauf. Perfekt.
Zwanzig kostet ihn der Spaß -
steht jedenfalls da draußen dran.
So nimmt er dann am Zelttor Maß.
Klopf, klopf...Nee, geht nicht. Rein da, Mann!
Tief runter duckt er sich einstweilen
und schiebt den weißen Vorhang weg.
Da drinnen, wo sich Schatten teilen,
sitzt wer im kuscheligen Eck.
Potzblitz, der Wer ist eine Sie
und auch noch irre blendend schön!
Schon juckt es Lothar arg am Knie;
drum kratzt er kräftig dran, im Stehn.
Die Schöne von der Seher-Zunft,
bittet ihn leise, Platz zu nehmen.
Es nicht zu tun, wär Unvernunft.
Auch Schuhe aus. Für was sich schämen.
Die Schöne schaut ihm ins Gesicht
und das doch ziemlich lange.
Sieht sie schon was, oder noch nicht?,
denkt sich Lothar, fast schon bange.
Unheimlich ist ihm das Gestarre,
ohne dass endlich was passiert.
Sie nimmt ihn wohl an die Kandarre,
bis er die Nerven ganz verliert.
Sie rührt sich. Legt die Karten aus
und sagt, er werde bald schon krank.
Sagt aber auch, im Krankenhaus
wird alles gut.
Na, vielen Dank.
Lothar lächelt angestrengt.
Verneint und nickt in einer Tour.
Sie fragt, was er so tut und denkt -
und käut es wider - anders nur.
Okay - so läuft das mit dem Sehen,
sagt Lothar sich im Stillen.
Erst lässt sie ihren Schönduft wehen
und dann geht’s ans Vorseh-Grillen.
Im Lotto winkt ihm kein Gewinn,
sagt sie - weil er kein Lotto spielt.
Das sieht sie richtig - immerhin,
auch wenn sie schon zum Ausgang schielt.
Da wartet schon der nächste Kunde.
Lothar sieht nur dessen Beine.
Er zahlt, grinst schief, geht noch ´ne Runde
um den Markt und zieht dann Leine.
*
Abends, im Bett, fällt ihm noch ein:
Sie prophezeit auch Gutes...Liebe...
Im ersten Anlauf soll´s nicht sein.
Die Dritte ist´s, die bei ihm bliebe.
> Na gut, < schnarrt er, schon halb im Traum:
> Die Dritte fällt vom Birnenbaum. <
Worte & Foto: © Ralph Bruse