Die Lesende
Sie saß ganz still im Sommerweben,
versunken dort, auf jener Bank.
Sie schien aus aller Zeit zu schweben -
doch war sie weder müd, noch krank.
Einzig das Buch in ihren Händen
ließ sie alles, ringsum, vergessen.
Sie las, ohne den Blick zu wenden:
lächelnd sinnend währenddessen.
Auf der Parkbank - etwas weiter,
saßen Mann und Frau im Schatten.
Sie sprachen nicht - wirkten kaum heiter,
weil sie wohl ihre Sorgen hatten.
Der Mann mit Hund, der vorbei lief,
sah auch nicht überglücklich aus.
Sein Hund lief weg. Als er ihn rief,
stürmt der auch schon ins Entenhaus.
Am Teich, auf staubig kahlen Wiesen,
da lümmelten sich viele Leute.
Die Kleinsten fühlten sich wie Riesen,
an einem heißen Tag, wie heute.
Als sich der Abend gnädig senkte,
blieb nur die Lesende zurück.
Das Lächeln, das sie sich nur schenkte,
war vielleicht schon ihr ganzes Glück.
*
Ich hätte sie zu gern gefragt,
was sie in ihrem Buche fand?
Doch manches Wort, das wer auch sagt,
hält niemals solchem Zauber stand.
Worte: (c) Ralph Bruse
Bild: Pierre-Auguste Renoir