Die Nacht ist weich wie die Asche einer Motte
Schmallippiges Geflüster
Ein kleiner Kuß zappelt wie eine dumme Spinne
Umarmung auf blutendem Boden
Die Augen blau verhüllt, die Wangen pfirsichsamt
Abschied. Der Wunsch zu weinen steigt und stirbt
Das dunkle Treppenhaus, stets beschlagen mit feuchtem Schorf
Draußen auf dem Hof schreien die Ratten
Lampen neigen sich röchelnd von der hohen Treppe
Den Geruch seiner Haut nimmt sie mit in ihr Zimmer
Kein Tropfen seines Namens darf auf den Boden fallen
Eine sich mehr und mehr verdichtende,
wie für Tränen gemachte Stille breitet sich aus
Seine Lippen nagen an ihrem Traumschlaf
Schatten gleiten über die Kissen
Flammen flackern an gelblichen Tapeten
Feuerschein glüht auf im Raum und malt trübe Angstgespenster
Sie atmet trauriger als sonst und schließt die Augen, ganz fest,
weil draußen vor dem Fenster das Schattenvolk Grimassen zieht
Grimassen, die im Feuer nachtkalt gepeitschter Laternen erstrahlen
Fratzengesichter, schwarz, braun und durchscheinend trüb
Die Dächer sind voll Sterndeuter
Die Luft schwingt von geheimen Segeln
Milchstraßensterne und trauriges Sichsehnen
Ein junges Meer aus nächtlichen Sommertränen
Traumblumen klingen, glänzen und brechen auf
Träume von grünen Nächten,
Wo sich Schneeflocken wie Küsse auf die Augen des Meeres legen
Federn, fliegende Seerosen, weiße Blütenflocken, weiß und sanft
Ein Flug scharlachfarbener Tauben tönt durch ihren Kopf
Unendlichkeit umrauscht ihren Körper mit weißer Flut
Sie durchfährt das Himmelsrot wie eine Wand,
dampfend und im Sog weißen Dunsts verschlungen
Seepferdchen, Schmetterlinge, elektrische Mondfische
Tausend blaue Teufel drehen sich in der Luft
Die Stadt schläft ein auf grauem Stein
Im Müll glänzt ein roter Lippenstift.
Ein verlassenes Kind auf einer Mole, die weit hinausragt ins Meer
Wie kleine Hunde bellen ihre Träume durch die Nacht
Auf einem langsamen Schiff segelt sie zurück in ihr Königreich
(Unbegangen bleiben die Wege auf der Steilwand des Himmels)
(c) Hagen Bretschneider